Leseprobe aus meinem Buch

"Kriegskinder"

- Bombenhagel überlebt, Karriere gemacht und mit Burn-out bezahlt. -  Vorschau: Vorschau

Zum Einstimmen auf mein Buch "Kriegskinder" schauen wir mal ins Kino. 

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Der Wissenschaftler Klaus-Peter Kolbatz ist nicht nur Erfinder der weltweit ersten Pool-Alarmanlage oder hat die „fünfte Kraft im Universum“ entdeckt und hat sich  in der Klimaforschung einen Namen gemacht, sondern hat auch das sehr erfolgreiche Buch "Kriegskinder geschrieben.

Auszug: - Die Russen kommen nach Rerik

Wir schreiben das Jahr 1945. Ich bin drei Jahre Alt und die Russen marschieren in meinen Geburtsort an der Ostseeküste ein. Meinen Eltern wurde 3 Stunden Zeit gegeben ihre Habseligkeiten zu packen und aus der Wohnung zu verschwinden.

Glücklicherweise war zu der Zeit mein Vater aus der Gefangenschaft zurück und konnte einen Leiterwagen mit Pferden organisieren, mit dem auch einige Möbel in die ca. 5 km entfernte Wohnung transportiert werden konnten.

Während meine Eltern die letzte Fuhre abholten ließen sie mich dieses mal in der neuen Wohnung zurück, weil die Pferde durch den Tumult auf der Straße scheu waren und mein Vater Schwierigkeiten hatte sie zu zügeln. Ich war in der neuen Wohnung allein und sie war mir fremd.

Ich hatte große Angst. Angst weil ich dachte sie haben mich vergessen, denn es kam mir mit meinen drei Jahren wie eine Ewigkeit vor. Eine innere Stimme sagte mir, Mami kommt hierher nicht zurück.

Ich bin zu unserer alten Wohnung zurückgelaufen, weil sie ja sagten sie fahren dort hin. Als ich ankam, hörte ich schon von draußen lautes Krakeelen in einer Sprache die mir fremd war und mir Furcht einflößte. Es waren Russen, die mir wie Ungeheuer aus dem Märchenbuch vorkamen. Ich habe mich versteckt, weil ich dachte sie haben meinen Eltern etwas angetan und werden mir auch etwas antun.

Nach einer Weile habe ich mich aus dem Versteck hervor getraut und bin weinend und nach meiner Mami rufend durch alle Zimmer gegangen.

Überall waren Russen und als ich die Tür zum Badezimmer öffnete, saß einer auf der Toilette mit einem Hintern, der doppelt so breit wie die Toilettenbrille war und mit breiten herunter hängenden Hosenträgern. Er hatte mein weinen gehört und sagte "hier nix Mama".

Bei dem Anblick kamen mir entsetzliche Gedanken und ich dachte sie werden kleine Kinder bestimmt aufessen. Ich bin davongelaufen. Es war kalt und dunkel. Die Straßen wurden nur durch nicht endende Kolonnen von Panzern und anderen Militärfahrzeugen spärlich erleuchtet. Der Krach flößte mir zusätzlich Furcht ein und ich versteckte mich weinend und frierend hinter einem Gebüsch bis mich eine Frau fand und mich mit nach Hause nahm.

Ich weiß nicht wie, aber irgend wann standen plötzlich meine Eltern vor mir, ich war überglücklich.

Flucht nach Berlin 

Literatur "Kriegskinder"

Nachdem wir aus Rerik an der Ostsee flüchten mussten, hat uns meine Oma und mein Opa in Berlin vorübergehend in ihrem Einfamilien Haus aufgenommen. Wir wohnten in einem Zimmer von ca. 3x4 Meter. Opa hatte einen kleinen Garten wo er Gemüse und Obstbäume hatte. Ich weis noch wie er hinter jedem Pferdeapfel hinterher war und die als Dünger nahm. Damals war es auch üblich seine eigenen Fäkalien als Dünger für das Gemüse zu verwenden.

Mein Opa war ein passionierter Angler und hatte auch einen großen Angelkahn. Ein Mal durfte ich mit und wir standen noch bevor die Sonne aufging auf. Er ruderte weit zu einer bestimmten Stelle. Befestigte den Angelkahn an Steckstangen und nahm als Köder selbstgemachten Teig und Blinker. Er fütterte die Fische an und es dauerte nicht lange bis ein Karpfen anbiss.  

Danach ging es schlag auf schlag bis wir gegen Mittag zurück fuhren. Zuhause haben meine Oma und meine Mutter die Fische ausgenommen und von Schuppen befreit. Meine Oma hat dann die großen Fische gebraten und ich durfte die kleinen durch den Wolf drehen. Sie machte hiervon Fischbouletten. Es war köstlich. Ich habe noch nie so etwas schönes gegessen. Bis dahin bestand mein Essen im Wesentlichen aus Brennnesselsuppe. Wenn hier einmal eine Kartoffelschale drinnen war, waren wir glücklich. Oder Eintopf ohne Fleischeinlage. Wenn wirklich einmal ein kleines Stück Fleisch im Topf war, bekam es mein Vater. Meine Mutter sagte „Er muss arbeiten und bei Kräften bleiben“. Ich erinnere mich noch daran, dass wir vor jedem Essen zu Gott beteten und ihm für dieses Essen dankten. 

Mami, der Himmel brennt.

Im selbst gebauten provisorischen Bunker (in Berlin Tegel-Süd)  

Am Nachmittag gab es wieder Fliegeralarm, und dieses Mal wurde es auch für uns ernst. Wieder hörte man, wie bei den vorausgegangenen Angriffen, die Bombeneinschläge in der Ferne, aber die Zeitabstände dazwischen waren kürzer. Meine Mutter packte mich dieses mal und wir rannten zum Nachbargrundstück. Er hatte als Einziger vorgesorgt und eine Erdhöhle als provisorischen Schutz vor Luftangriffe. Nachdem wir eine Leiter herabstiegen, setzten wir uns auf eine Bank.

Einige hatten Gasmasken mit und sahen für mich zusätzlich furchterregend aus. Ich hörte das dumpfe dröhnen der Bomber näherkommen. (starke Bomberverbände legten eine Stunde und 20 Minuten lang ihre Teppiche in und um Berlin)

Dann wurden die Detonationen lauter und alle Gespräche verstummten. Plötzlich hatten alle Leute Tücher in der Hand, die man in das Wasser tauchte und sich vor Mund und Nase band. „Lass den Mund schön zu! Der Luftdruck ist zu gefährlich!“ sagte meine Mutter noch vorher zu mir. Ich verstand zwar, was sie von mir erwartete, aber nicht, was es mit dem Luftdruck auf sich haben sollte. Dann drückte sie mich fest an sich und ich spürte wie sie zitterte.  

Zwischen den einzelnen Detonationen, die jetzt näher kamen, herrschte atemlose Stille. Die nächsten Einschläge waren noch heftiger und ich duckte mich jedes Mal, bis der Kopf bald den Schoß von meiner Mutter berührte. Das Beben des Erdreichs war deutlich zu spüren. Dann folgte ein Schlag, so als ob ein gewaltiger eiserner Hammer auf die Höhlendecke gestürzt wäre. Jetzt rieselte Sand aus der provisorisch mit Holzlatten abgedeckten Decke, Steine polterten und trübte den Schein der Karbidlampen. Ich sah die Angst in den Gesichtern und spürte das hier etwas furchtbares geschah. Meine Mutter drückte mich noch fester an sich und ich glaube sie merkte gar nicht das sie mir wehtat.

 Ich traute mich selbst nicht zu sprechen, aber andere sagten leise: „das hat ganz in der Nähe eingeschlagen“.

Nach einer Ewigkeit verhallten die letzten Schläge, bis die lautlose Stille im Bunker bei Groß und Klein mit der Gewissheit durchringt: "Es ist vorbei".

Als die Sicht wieder klar wurde, nahmen wir unsere Tücher ab und schauten uns um. Die Erdhöhle war ganz geblieben und niemand zu Schaden gekommen, aber oben an der Leiter war es finster. Dort konnte man vorher einen schwachen Schimmer des Tageslichts sehen, das durch den Ausstieg auf die seitliche Wand fiel. Ich weiß nicht mehr, wer hinaufging um nachzusehen, aber bald kam die erlösende Nachricht: „Wir sind nicht verschüttet, da liegen nur ein paar große Steine herum!“

Diese Hindernisse wurden ohne Schwierigkeiten weggeräumt, und wir kletterten  wieder hinaus. Ich sagte ängstlich zu meiner Mutter „Mami, der Himmel brennt“. Das war nicht mehr die Welt, die ich kannte. Überall lagen Steinbrocken, gebrochene Ziegel, gesplittertes Holz und zertrümmerte Türen. Dort, wo vorher der Schuppen stand in dem ich gerne spielte, befand sich jetzt nur ein Haufen Schutt. An unserem Haus brannte der Dachstuhl. Vater meinte da muss eine Phosphorbombe eingeschlagen haben. Die Nachbarn bildeten eine Kette mit Wassereimern und Vater stand auf einer langen Leiter und versuchte das Feuer zu löschen.

Ungenügende Luftschutzvorkehrungen

Trotz zahlreicher Aufklärungskampagnen zum Luftkrieg noch vor Kriegsbeginn, wurde viel zu wenig für den Schutz der Berliner getan. Während gigantische Mengen Beton am Atlantikwall oder in der Wolfsschanze verbaut wurden, standen in Berlin nie mehr als 65.000 Bunkerplätze für die trotz der Evakuierungen immer noch knapp drei Millionen zählenden Einwohner zur Verfügung. So mussten die allermeisten in zusätzlich abgestützten Hauskellern Schutz suchen, ohne dort vor Volltreffern sicher zu sein. In den Kellern starben die meisten der Berliner Bombenopfer, allein am 3. Februar 1945 waren es 2.500. Doch auch die Bunker waren keine vollkommen sicheren Orte, da durch Brände verursachter Sauerstoffmangel auch bei starkem Bombardement eine Räumung unausweichlich machte.

Die Amis kommen mit Panzer. Es gibt Bonbons und Schokolade.

- Geschenke von Gis -

Es ist Mai 1945 und ich bin vier Jahre alt.

Es ist ein sonniger Tag, ich darf Kniestrümpfe anziehen und Sandalen, die Vater mir noch einmal aus alten Autoreifen gemacht hat.

Auf einmal höre ich ein rasselndes dumpfes Geräusch. Der Lärm wird stärker, es hört sich an, als ob eine Lokomotive von den Gleisen gesprungen ist und nun auf der Straße weiterfährt. Die Erde zittert. "Die Amerikaner sind da", schreit jemand. Wir rennen zur Hauptstraße. Wir wollen die Amerikaner sehen, die uns immer als Monster mit riesigen Köpfen und großen Ohren beschrieben wurden, unsere Todfeinde, die noch vor wenigen Tagen mit Tieffliegern und Bordwaffen die Häuser in Brand geschossen haben.  

Und da sind sie, die Panzer mit ihren Kettenrädern und dem großen Kanonenrohr, die langsam im Konvoi durch die Straße rasseln. Die Erde zittert, und die Scheiben klirren in den Häusern. Die Leute stehen an den Straßenrändern, stumm. Jemand hängt eine weiße Fahne aus dem Fenster.  

Der Konvoi hält. Eine Luke öffnet sich, und ein Amerikaner steigt aus. Er kommt vom Panzer herunter. Er hat keinen großen Kopf und auch keine Riesenohren. Er sieht aus wie mein Vater oder mein Onkel, nur ein bisschen dicker. Er hat einen Tarnanzug an, sandfarben mit braun und grün und trägt einen Stahlhelm. Der Amerikaner kommt auf mich zu und sagt zu mir: "Willst du mein Freund sein?" Ich nicke nur. Seine Stimme klingt, als würde er gurgeln. Er greift in die Tasche seines Tarnanzuges. Ich presse meine Handkanten gegeneinander und mache aus meinen Händen eine kleine Höhle. Der Amerikaner füllt sie mit Bonbons und Kaugummi.

Der Konvoi fuhr weiter und jedes Stück Schokolade, das ein gutmütiger amerikanischer Soldat von einem Lastwagen warf, war ein Höhepunkt in meinem Leben. Und wenn ich eine olivgrüne Dose mit Pfirsichen ergattert hatte, glaubte ich, im Paradies zu sein.

Amerikaner verteilen Carepakete

 

Ich spiele in Ruinen. Bomben und Granaten liegen herum.

Ich sammle Buntmetall.

Spielen und einfach Kind sein ging oft nur in den Trümmerbergen, die für mich wie eine Abenteuerwelt war. Gegenüber stand eine Ruine die im Wesentlichen nur noch aus der Außenmauer und dem Treppenaufgang bis zum dritten Stock bestand. In dem Häuserschutt fand ich nicht nur kostbare Schätze, sondern noch scharfe Munition wie Projektile und Handgranaten.

Auf einer im Rest vom Keller liegenden Fliegerbombe bin ich geritten und als ich meiner Mutter davon erzählte hat sie furchtbar geschimpft und mir den Zugang zur Ruine verboten. Einige Tage später wurde die Bombe entschärft und ich hörte wie sich die Erwachsenen darüber unterhielten. Hier soll ein Mann der eine Fliegerbombe entschärfen wollte dabei ums Leben gekommen sein.     

Mit meinen Freunden habe ich zusammen verglichen, wer das Kostbarste gefunden hat.  Zu den Kostbarkeiten zählten auch Knochen und Bombensplitter. "Man versuchte ja, mit allem zu spielen und wir haben die Splitter dann nach Größe und Zacken sortiert" und haben die Splitter dann getauscht."  

Zu meinem Alltag gehörten die Begriffe wie Luftmine oder Stabbombe

 so selbstverständlich wie die heutigen Kids vom Handy oder Gameboy reden.  

Etwa 13 Millionen ehemalige Kriegskinder leben heute in Deutschland. Diese Kinder der Jahrgänge 1933 bis 1945 sind zwischen Trümmern groß geworden. Ihre Kindheit im Zweiten Weltkrieg bedeutete: Flucht, Bombenangriffe, Todesangst und Trennungen. Erst jetzt, am Ende eines Arbeitslebens, beginnen die Betroffenen über ihre Erfahrungen und Verwundungen zu sprechen. Die Kindheit hat sie geprägt, verarbeitet wurde dies allenfalls im privaten Umfeld.  

Spielen mit nichts

Kinderspielplätze, wie sie heute in jedem Ortsbild selbstverständlich sind, gab es in der Nachkriegszeit nicht. Dafür waren die Städte mit Ruinen und Trümmern übersät, die für uns Kinder "Abenteuerspielplätze" darstellten. Da unsere Eltern vollauf damit beschäftigt waren, das kaputte Land wieder aufzubauen und das Lebensnotwendigste für die Familie herbeizuschaffen, war Nachkriegskindheit häufig eine unbeaufsichtigte Kindheit - mit allen Vor- und Nachteilen.

Seifenkisten selbst gebaut

Da es fast noch kein Spielzeug zu kaufen gab, behalf man sich mit selbst gebastelten Dingen. Eine Zeitlang waren selbstgebaute Seifenkistenwagen "in".

Vier Kugellager brauchte man für einen Wagen und gut geölt mussten sie sein, damit man aus ein paar Latten und Kistenbrettern einen fahrbaren Untersatz herstellen konnte. Gelenkt wurde mit den Füßen und das Bremsen war sehr schwierig.  

Alte Spiele und Abzählreime

Spielzeug ist Mangelware  

In den heißen Nachkriegssommern wurde meistens in Flüssen oder Weihern gebadet, Autoreifen dienten als Boote und Schwimmhilfen, Schwimmbecken wie heute gab es nur in größeren Städten. Die alten Kinderspiele, die schon die Großeltern kannten, kamen wieder in Mode. Abzählreime beim Versteckspiel waren sehr populär: "Ene mene subtrahene, dive dave Domino, Opter, Propter, Kaiser lobt er, Zinke, zanke - raus". Oder: "Drei Sanitäter hüpfen auf die Räder, hüpfen wieder raus und Du bist draus".

Murmeln und Märchen

Besonders beliebt war in der Nachkriegszeit das Schusser- oder Murmel-Spiel. Fast jedes Kind hatte ein Leinensäckchen voller tönerner Schusser, mit denen meist auf ein mit den Absätzen gebohrtes Erdloch gespielt wurde. Man hatte Fäden für Fadenspiele, es wurden Kartenspiele, Mensch-ärgere-Dich-nicht, Mühle und Schach gern gespielt. Puppen und Fußbälle wurden oft aus Sackrupfen und Stoffresten gebastelt. Aus Weidenruten wurden Pfeifen geschnitzt und da es noch kein Fernsehen gab und viele Familien in der unmittelbaren Nachkriegszeit auch noch kein Radio besaßen, wurde viel vorgelesen oder Geschichten und Märchen erzählt.

Kriegsmunition als Kracher

Eine besondere Versuchung für uns Buben war "Fundmunition". Überall an Bach- und Flussrändern, in Wäldern und in abgelegenen Straßengräben konnte man Infanteriemunition und manchmal auch die gefährlichen Handgranaten und Panzerfäuste finden. Kein Wunder, dass es immer wieder zu schweren und manchmal auch tödlichen Unfällen kam.

Viele Invaliden ohne Arme, ohne Beine. Nehmen ihre Glasaugen heraus und erschrecken uns Kinder damit.

Literatur "Kriegskinder"

In der Zeit sah ich viele Invaliden an Krücken und in Rollstühle. Einige versuchten uns Kinder Angst einzujagen und zeigten ihre Beinstümpfe oder nahmen ihre ohne hin viel zu großen Glasaugen aus der furchtbar anzusehenden Augenhöhle heraus. Bei anderen fehlte eine Gesichtshälfte oder sie hatten eine Metallplatte als Schädeldecke. Es war für mich entsetzlich anzusehen, aber die Erwachsenen machten sich daraus einen Spaß.   

Mich hat der Krieg in kurzer Zeit zu einem Profi des Schreckens erzogen, in der die Wirklichkeit auch mit den heutigen schlimmsten PC-Games mithalten kann.  

Diese schrecklichen Erlebnisse machten mich, wie sich erst später in meinem Leben herausstellen wird, zum Meister von unterdrücken von Gefühlen. Das in sich nach außen emotionslose hineinfressen von Ärger aber auch Freude wird von anderen heute als Gefühlskalt ausgelegt. Richtig ist aber, dass ich es gelernt habe mit Leid umzugehen und in einem selbstlosen ausgeprägtem Helfersyndrom meine Anteilnahme zeige. Heute nach über 60 Jahren macht sich das ständige nicht zeigen von Gefühlsausbrüche negativ bemerkbar. Mein Akku ist leer und ich bin anfällig gegen Depressionen mit Burn-out-Syntomen.    

 

Ich bin aufwachsen mit den Wunden des Krieges

Mein Vater schlägt mich fast tot.

(selbstgemachte Schuhe mit Sohle aus Autoreifen)

Ich habe mit 4 Jahren die Bombardierung, die Enge im Bunker, das Schreien der Erwachsenen erlebt. Das zerstörte Berlin. Doch all das konnte ich irgend wie ertragen.

Die Angst meiner Kindheit war nicht nur die Bedrohung durch Bomben. Mein Trauma begann, als mein Vater aus dem Krieg zurückkam. Ein Kriegsvater. "Mutter sagte: „Guck mal wehr da ist“ . „Das ist dein Vater“. Ich kuckte ungläubig – der Mann vor mir hatte einen Vollbart und sah furchterregend aus. „Freu dich, Vati ist aus dem Krieg zurückgekommen“. Ich sagte: „das ist nicht mein Vater !“ Ich hatte  wirklich vor diesen fremden Mann Angst. Er hatte eine Schiebermütze auf, trug einen langen ungepflegten Mantel und seine viel zu weiten Hosen wurden durch ein Koppel gehalten mit dem ich später reichlich Bekanntschaft machen sollte. 

Er brachte nichts aus dem Krieg mit, außer Härte und Strenge, die ihn zu diesem Soldaten gemacht hatten. Das sollte ich bald zu spüren bekommen. Den Kasernenton hat auch meine Mutter zu spüren bekommen.    

Literatur "Kriegskinder"

Mein Vater, ein seelisch verwundeter Kriegsheimkehrer. Bedingungsloser Gehorsam hatte er als junger Soldat gelernt und waren für ihm Gesetz. Seine Gefühle? Weggedrillt. Mit Gewalt wollte er mich erziehen und gehorsam  einbläuen. Ich erinnere mich an ein Ereignis, das die Beziehung zwischen mir und meinem Vater zu einer Angstbeziehung machte:

Ich hatte lange Zeit keine Schuhe und musste barfuss laufen bis mir mein Vater Sandalen aus Autoreifen machte.

Eines Tages ging ich mit einem Wassereimer zum Tegeler See. Ich wollte meinen Eltern eine Freude machen und habe Krebse gefangen. Hier war fast unter jedem Stein ein Krebs und ich hatte sehr schnell den Eimer voll. Ich ging ganz stolz nach Hause und freute mich auf ein Lob von meiner Mutter. Das Lob blieb aus. Stattdessen fragte sie mich wo ich meine Sandalen gelassen habe. Ich hatte das Gefühl als wenn mir der Boden wegsackte. Ich hatte die Sandalen vergessen und am Tegeler See stehen gelassen. Ich bekam sofort von meiner Mutter eine kräftige Ohrfeige mit den Worten „na warte mal bis dein Vater kommt“. Ich rannte in Panik zum See aber meine Sandalen waren weg.

Vor meinem Vater hatte ich unheimliche Angst. Allein das Warten bis er nach Hause kam versetzte mich in Panik. Als er nach Hause kam versteckte ich mich unter die Betten von meinen Eltern. Das half mir aber nichts. Er schnallte wie jedes Mal seinen Koppel ab und schlug unter das Bett. Ich rutschte zur anderen Seite und er kam nach. Das ging so ein paar mal hin und her bis er mich greifen konnte. Er drückte mich über die Bettkante und prügelte hin wo er traf. Es tat furchtbar weh, aber anscheinend habe ich nicht genug geweint, denn meine Mutter sagte zu ihm, „der merkt ja gar nichts du musst ihm die Hosen herunter ziehen“. Das tat mein Vater dann auch und ich flehte meinem Vater an aufzuhören. Aber er hörte nicht auf und ich glaubte er schlägt mich tot.

Später ließen die Schläge nach. Dafür drohten sie mir mit den Worten „du kommst ins Heim“.  

 

Trauma

Ein Trauma (griechisch: Wunde) ist ein Ereignis, das den Menschen in seiner Entsetzlichkeit überwältigt und seelisch verletzt. Kriegserlebnisse und die anschließenden Entbehrungen während der Berlin-Blockade 1948/49 können ebenso Traumata auslösen wie Naturkatastrophen, Gewalt, Folter oder Missbrauch.

Mit einer gewissen Zeitverzögerung, manchmal sogar erst Jahre später kann sich eine posttraumatische Belastungsstörung entwickeln. Sie geht mit körperlichen und seelischen Beschwerden einher. Die Traumatisierten erleben die Schrecken immer wieder, haben Albträume und Schlafstörungen, werden depressiv, greifen zur Flasche oder zu Tabletten, sind reizbar, fühlen sich schuldig, stumpfen emotional ab und haben Schwierigkeiten, Bindungen zu anderen Menschen einzugehen.

Ein Trauma ist keine Krankheit, sondern eine normale Reaktion auf ein außergewöhnliches Erlebnis. In etwa der Hälfte der Fälle gelingt es den Betroffenen, das Erlebte ohne professionelle Hilfe zu bewältigen. Klingen die beschriebenen Symptome aber auch nach mehreren Monaten nicht ab, hat sich wahrscheinlich eine posttraumatische Belastungsstörung entwickelt. Dann kann eine psychotherapeutische Behandlung ratsam sein.

Sie soll den Betroffenen helfen, das Erlebte auszusprechen, die Erinnerungen verarbeiten und in die Lebensgeschichte einzuordnen und mit den damit verbundenen Ängsten und Gefühlen umgehen zu lernen.

Man funktionierte, wollte die Eltern, die schon genug zu tun hatten, nicht belasten. Man war brav, um ihren Kummer nicht noch zu verstärken. Die eigenen Gefühle? "Verdrängt." Später, oft Jahrzehnte später, kommen die Magenschmerzen, Migräne, unerklärliche depressive Verstimmungen, Ängste, die schon bei Flugzeug- oder Sirenengeräuschen, in das Bewusstsein brechen, Panik - fast alle kennen das.

Ich habe verdrängt, um zu leben. Jetzt bin ich erschöpft vom Schweigen.  "die Wunden der Seele lassen sich nicht verbinden". (siehe Diplomarbeit pdf)

Heute frage ich mich, warum ich so lange geschwiegen habe? Wollte oder durfte ich nicht darüber reden? Beides. Ich hatte Mitgefühl mit meiner Mutter. Sie erzählte immer wie furchtbar es für Sie war ohne dabei zu berücksichtigen, dass ich alles miterlebt habe.

Schicksalhafte Einzelheiten bleiben aus und Ihre Erzählungen enden meistens mit Lobeshymnen für die Zeit unter Hitler und  das es kaum Kriminalität und Vergewaltigungen gab.

Die Frauen konnten ohne Angst nachts auf die Straße gehen.  

Meine Mutter gönnt sich auch heute noch kein Mitgefühl mit mir. Das Grauen hatte ja seinen Ausgang von ihrer eigenen Regierung genommen, der die Eltern jahrelang zugejubelt hatten oder gegen die sie zumindest nicht protestiert haben.  

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Kriegskinder Teil 1

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